Einbeiniges Kreuzheben im Athletiktraining

Das einbeinige Kreuzheben mit Zusatzlast dient im Athletiktraining, neben der Steigerung des Leistungspotenzials, insbesondere zur Verletzungsprophylaxe.

 

Bei dem einbeinigen Kreuzheben spricht man auch vom einbeinigen Kreuzheben aus der Standwaage. Da die Bewegungstechnik dieser Übung einer einbeinigen Variante des rumänischen Kreuzhebens ähnelt, wird die Übung im englischsprachigen Raum auch als SLRDL (engl. single leg romanian deadlift) bezeichnet.

Übungsausführung

Die Ausgangsposition ist der aufrechte Parallelschrittstand. Dabei wird die Zusatzlast, beispielsweise in Form einer Kurzhantel oder Kettlebell, im einhändigen Obergriff erfasst und mit gestrecktem, herabhängendem Arm auf Hüfthöhe vor dem Körper gehalten. Der Trainierende beugt aus dieser Position den Oberkörper, unter Beibehaltung der physiologischen Rückenhaltung, bis in die Horizontale. Der hantelführende Arm hängt vertikal nach unten. Gleichzeitig mit der Oberkörpervorneigung wird das zum hantelführenden Arm gleichseitige Bein gestreckt nach hinten oben bis in die Horizontale angehoben. Befindet sich der Trainierende in der Endposition, so bilden der Oberkörper und das nach hinten angehobene Bein eine Linie in der Horizontalen. Aus der Endposition erfolgt durch die Kontraktion der Hüftgelenksextensoren des Standbeins die Aufrichtung des Oberkörpers in die Vertikale. Zeitgleich dazu wird das angehobene Bein in die vertikale Ausgangsposition zurückgeführt.

Bei der hier beschriebenen Variante des einbeinigen Kreuzhebens aus der Standwaage wird die Kurzhantel auf der Seite des Standbeins gehalten und das freie, zum hantelführenden Arm diagonale Bein wird nach hinten oben angehoben. Alternativ kann die Übung auch mit zwei Kurzhanteln durchgeführt werden, wodurch der Anspruch an die Gleichgewichtsstabilisation sinkt, die muskuläre Beanspruchung durch die höhere Last jedoch größer wird.

Die beanspruchte Muskulatur ist bei dieser Übung vergleichbar zu der Langhantel-Übung „Rumänisches Kreuzheben“ (engl. romanian deadlift). Neben den Mm. erector spinae des Lendenwirbelsäulenbereichs wird primär die Gluteal- sowie die Ischiocruralmuskulatur beansprucht. Durch die permanent einwirkende rotatorische Komponente, die muskulär stabilisiert werden muss, ist mit einer hohen statischen Beanspruchung der Rumpfrotatoren zu rechnen.

Sportartspezifische Trainingseffekte

Das einbeinige Kreuzheben ist eine sehr anspruchsvolle Übung und findet vor allem im Athletik- und leistungsorientierten Training Anwendung. Um entsprechende Leistungsverbesserungen durch eine Übung zu erzielen, ist es notwendig, dass diese Übung ähnliche sportartspezifische Belastungsmerkmale aufweist wie die Bewegungen der Sportart (Prinzip der Spezifität) (Young, Benton & Pryor, 2001). Sportartspezifisches Krafttraining hat somit das größte Potenzial, den Transfer von der entsprechenden Kraftübung auf die Übung der Sportart zu generieren. Somit muss vorab eine Analyse stattfinden, welche Muskeln für die entsprechende Sportart am wichtigsten sind (Behrens & Simonson, 2011). Betrachtet man Sportarten wie Handball, Fußball oder auch Disziplinen der Leichtathletik, so sind Sprints von enormer Bedeutung. Sprinten ist eine unilaterale und hauptsächlich horizontale Bewegung, bei der der Vortrieb primär durch eine Extension im Hüftgelenk generiert wird. Während des Bodenkontakts berührt nur ein Bein den Boden und während der Körper, neben der aktiven Kniestreckung, hauptsächlich durch die Kontraktion der hüftstreckenden Muskulatur nach vorne beschleunigt wird. Währenddessen bereitet sich das andere Bein in der Schwungphase für den Bodenkontakt vor.

Übertragbarkeit auf Sprintbewegungen

Um die Sprintbewegung effektiv zu trainieren, müssen im Krafttraining folglich unilaterale und horizontale Bewegungen durchgeführt werden. Eine beispielhafte Übung wäre somit das einbeinige Kreuzheben mit Zusatzlast, wie beispielsweise einer Kurzhantel oder Kettlebell. Dabei wird die Gluteal- und Ischiocruralmuskelatur aktiviert, die für die Maximalgeschwindigkeit beim Sprint von hoher Bedeutung ist (Young, 2006). Die höchste Aktivität innerhalb der beteiligten Muskulatur, also des M. biceps femoris, des M. semitendinosus und des M. gluteus maximus, wurde in der Standphase bzw. während des Bodenkontaktes des Fußes in der Sprintbewegung gemessen (Howard, Conway & Harrison, 2018). Durch die Kontraktion der Hüftextensoren (Gluteal- und Ischiocruralmuskualtur) kommt es zur Beschleunigung des Körpers in der horizontalen Ebene nach vorne. Die Muskelaktivität steigt mit der Sprintgeschwindigkeit an. Da die Ischiochuralmuskulatur für Sprintbewegungen eine sehr hohe Bedeutung hat, bei vielen Personen aber zu schwach ausgebildet ist, eignet sich diese Übung als Krafttraining für alle Athletinnen und Athleten, deren sportliche Leistungsfähigkeit von der Sprintschnelligkeit abhängig ist (Behrens & Simonson, 2011; Young et al., 2001). Dies wird auch durch neuere Studienergebnisse von Miller et al. (2021) bestätigt, die die Größe der Gluteal- und Ischiocruralmuskulatur von Sprintern unterschiedlicher Leistungsstufen sowie untrainierten Personen miteinander verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass insbesondere das Muskelvolumen des M. gluteus maximus bei Sprintern auf Spitzenniveau deutlich größer ist, als bei weniger guten Sprintern oder untrainierten Personen (Miller et al., 2021).

Verletzungsprophylaxe durch einbeiniges Kreuzheben

Die Übung einbeiniges Kreuzheben kann auch im Sinne einer Verletzungsprophylaxe durchgeführt werden. Wird die Übung entweder rein exzentrisch oder exzentrisch-konzentrisch über den vollen Bewegungsumfang (Range of Motion) trainiert, so kommt es zu funktionellen Anpassungen des Muskels wie z. B. eine Vergrößerung der Faszikellänge innerhalb der Zielmuskulatur (Brockett, Morgan & Proske, 2001).

Die Vergrößerung der Faszikellänge führt zu einer Veränderung der Kraft-Längen-Relation. Daraus folgt, dass die maximale Kraft (Fpeak) und somit der maximale Überlappungsgrad zwischen Aktin und Myosin bei einem anderen Gelenkwinkel, also zu einem früheren Zeitpunkt, erreicht wird. Die genannten Effekte auf die Faszikellänge, die vermutlich aus einer seriellen Sarkomeraddition resultieren, können dazu führen, dass sich die Kraft der Hüftgelenksextensoren vor allem bei größeren Muskellängen erhöhen kann. Folglich wird die ischiocrurale Muskulatur gegenüber hohen Kräften bei größeren Gelenkwinkeln bzw. in stärker gedehnten Positionen toleranter, wodurch die Verletzungsrate aufgrund ungewohnter Belastungen bei großen Gelenkamplituden minimiert werden kann (Timmins et al., 2016).

Fazit:

Muskuläre Verletzungen, die während des Trainings oder der Ausübung von Sportarten mit Sprintbewegungen entstehen, begründen sich häufig auf die Tatsache, dass der Muskel eine ungewohnte Beanspruchung erfährt. Zur Verletzungsprophylaxe erscheint es somit strategisch sinnvoll, ein Krafttraining durchzuführen, dass hinsichtlich der Belastungsintensität und Muskellänge bei Kraftentfaltung die reguläre Anforderung der Sportart übersteigen.

 

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Quellen:

  1. Behrens, M. J. & Simonson, S. R. (2011). A Comparison of the Various Methods Used To Enhance Sprint Speed. Strength & Conditioning Journal, 33 (2), 64–71. https://doi.org/10.1519/SSC.0b013e318210174d

  2. Brockett, C. L., Morgan, D. L. & Proske, U. (2001). Human hamstring muscles adapt to eccentric exercise by changing optimum length. Medicine and science in sports and exercise, 33 (5), 783–790. https://doi.org/10.1097/00005768-200105000-00017

  3. Howard, R. M., Conway, R. & Harrison, A. J. (2018). Muscle activity in sprinting: a review. Sports biomechanics / International Society of Biomechanics in Sports, 17 (1), 1–17. https://doi.org/10.1080/14763141.2016.1252790

  4. Miller, R., Balshaw, T. G., Massey, G. J., Maeo, S., Lanza, M. B., Johnston, M. et al. (2021). The Muscle Morphology of Elite Sprint Running. Medicine and science in sports and exercise, 53 (4), 804–815. doi.org/10.1249/MSS.0000000000002522 

  5. Timmins, R. G., Bourne, M. N., Shield, A. J., Williams, M. D., Lorenzen, C. & Opar, D. A. (2016). Short biceps femoris fascicles and eccentric knee flexor weakness increase the risk of hamstring injury in elite football (soccer): a prospective cohort study. British journal of sports medicine, 50 (24), 1524–1535. https://doi.org/10.1136/bjsports-2015-095362

  6. Young, W., Benton, D. & Pryor, J. M. (2001). Resistance Training for Short Sprints and Maximum-speed Sprints. Strength & Conditioning Journal, 23 (2), 7. Verfügbar unter https://journals.lww.com/nsca-scj/citation/2001/04000/resistance_training_for_short_sprints_and.1.aspx

  7. Young, W. B. (2006). Transfer of strength and power training to sports performance. International Journal of Sports Physiology and Performance, 1 (2), 74–83. https://doi.org/10.1123/ijspp.1.2.74