Kein Muskelkater = kein Muskelaufbau?

Trainerinnen und Trainer werden in der Praxis immer wieder damit konfrontiert, dass Trainierende die Effektivität des Trainings hinterfragen, da nach einer kurzen Gewöhnungsphase an einen neuen Trainingsplan plötzlich kein Muskelkater mehr auftritt. Doch kann Muskelkater überhaupt als Indikator für die Auslösung von Trainingseffekten angesehen werden?

 

Der Spruch „no pain, no gain“, also sinngemäß übersetzt „keine Schmerzen, keine Zuwächse“, dürfte wahrscheinlich den meisten Trainerinnen und Trainern sowie auch vielen Trainierenden schon einmal zu Ohren gekommen sein. Doch wie viel Wahrheit steckt tatsächlich in diesem Ausspruch, der sich seit Jahren hartnäckig in der Fitness- und Gesundheitsbranche hält?

Schmerzen sind grundsätzlich zu vermeiden

Grundsätzlich gilt, dass ein Training, das bewusst Schmerzen hervorbringt oder diese zumindest billigend in Kauf nimmt, immer kritisch hinterfragt werden sollte. Allerdings bezieht sich dieser Ausspruch wohl eher auf die Überzeugung mancher Trainierender, dass Krafttraining nur dann effektiv ist, wenn danach ein starker Muskelkater spürbar ist.

Was ist Muskelkater?

Bevor geklärt werden kann, ob Muskelkater überhaupt notwendig ist, muss zunächst betrachtet werden, was man darunter versteht. Muskelkater ist auf trainingsinduzierte Schäden in den Muskelzellen zurückzuführen, die sich nach dem Training in Muskelschmerzen, verminderter Kraftleistung und Beweglichkeitsdefiziten äußern, was je nach Schwere bis zu 72 Stunden andauern kann (Heiss et al., 2019; Hotfiel et al., 2018).

Relevanz von Muskelschäden für Trainingseffektivität

Mikroschädigungen im Muskel wurden lange als Auslöser für Muskelaufbau angesehen. Heute weiß man allerdings, dass das Einwirken mechanischer Spannung den eigentlich relevanten Stimulus zur Neubildung von Muskelprotein darstellt und Mikrotraumata eher als Kollateralschäden gelten, die bei ungewohnten oder sehr hoher Muskelspannung auftreten. Es konnte bereits durch eine Vielzahl trainingswissenschaftlicher Untersuchungen nachgewiesen werden, dass die Erzeugung von Mikroschädigungen der Muskulatur nicht erforderlich ist, um Anpassungseffekte hinsichtlich Muskelhypertrophie auszulösen (Damas, Libardi & Ugrinowitsch, 2018; Flann, LaStayo, McClain, Hazel & Lindstedt, 2011). Insbesondere bei Kraftsportlern auf Hochleistungsniveau muss jedoch manchmal eine Mikrotraumatisierung in Kauf genommen werden, da bei ihnen sehr hohe mechanische Spannungen notwendig sind, um den Muskel überhaupt noch zum Wachstum stimulieren zu können. Beginner oder leicht Fortgeschrittene müssen diesen Kompromiss in ihrem Krafttraining allerdings nicht zwingend eingehen, um Trainingseffekte zu erzielen.

Fazit:

Ein sehr starker Muskelkater ist dementsprechend kein geeigneter Indikator für ein effektives Training, sondern vielmehr ein Signal für eine ungewohnte oder zu hohe muskuläre Beanspruchung. Dadurch werden der Regenerationsbedarf erhöht, Schmerzen verursacht, die Leistungsfähigkeit herabgesetzt und die Zeit bis zur nächsten Trainingseinheit verlängert, was Trainingsfortschritte sogar hemmen kann. Ein leichter Muskelkater nach der Ausführung ungewohnter Übungen oder intensiveren Einheiten ist zwar unbedenklich, jedoch sollte das Ziel des Trainings niemals in der gezielten Erzeugung von Muskelschmerzen im Sinne eines Muskelkaters liegen.

 

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Quellen:

  1. Damas, F., Libardi, C. A. & Ugrinowitsch, C. (2018). The development of skeletal muscle hypertrophy through resistance training: the role of muscle damage and muscle protein synthesis. European Journal of Applied Physiology, 118 (3), 485–500.

  2. Flann, K. L., LaStayo, P. C., McClain, D. A., Hazel, M. & Lindstedt, S. L. (2011). Muscle damage and muscle remodeling: no pain, no gain? The Journal of experimental biology, 214 (4), 674–679.

  3. Heiss, R., Lutter, C., Freiwald, J., Hoppe, M. W., Grim, C., Poettgen, K. et al. (2019). Delayed Onset Muscle Soreness – Teil II: Therapie und Prävention. Sportverletzung Sportschaden : Organ der Gesellschaft fur Orthopadisch-Traumatologische Sportmedizin, 33 (1), 21–29.

  4. Hotfiel, T., Freiwald, J., Hoppe, M. W., Lutter, C., Forst, R., Grim, C. et al. (2018). Delayed Onset Muscle Soreness – Teil I: Pathogenese und Diagnostik. Sportverletzung Sportschaden : Organ der Gesellschaft fur Orthopadisch-Traumatologische Sportmedizin, 32 (4), 243–250.