Stürze sind ein ernstes Gesundheitsrisiko, insbesondere für ältere Menschen. Sie können zu langfristigen Verletzungen führen und sind oft mit schwerwiegenden Folgen verbunden, wie Krankenhausaufenthalte sowie Mobilitäts- und Funktionseinschränkungen im Alltag. Die Gleichgewichtsfähigkeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung von Stürzen und den daraus resultierenden Folgen für die Lebensqualität. Das Center for Disease Control and Prevention (2023) in den USA erhebt hierzu regelmäßig Daten, die die Bedeutung der Sturzprävention bei älteren Menschen untermauert und die sich mit gewissen Einschränkungen auch auf ältere Menschen in Deutschland übertragen lassen:
- Ein Viertel aller Erwachsenen im Alter von 65 Jahren und älter stürzt jedes Jahr.
- Bei 37 % der Stürze verletzen sich ältere Menschen so stark, dass sie medizinisch versorgt werden müssen oder ihre Mobilität temporär beeinträchtigt ist.
- Stürze sind der häufigste Grund für verletzungsbedingte Tode bei älteren Menschen in den USA.
Gleichgewichtsfähigkeit im Alter
Die zuvor dargestellten Daten betonen die Wichtigkeit der Sturzprävention und eines adäquaten Trainings der Gleichgewichtsfähigkeit im zunehmenden Alter. Der Gleichgewichtssinn ist verantwortlich für die Aufrechthaltung des Körpers (Körperkoordination) und die Orientierung im Raum. Er ist weiterhin dafür zuständig, dass der Körper Beschleunigungen und Drehbewegungen wahrnimmt und sich mit seinen Bewegungen an die Umwelt anpasst. Das ist sehr wichtig, denn ohne diesen Sinn könnte der Mensch sich nicht im Raum orientieren und aufrecht gehen (Zimmer, 2019, S. 130). Mit zunehmendem Alter verändert sich der Körper. Muskeln werden schwächer, der Gleichgewichtssinn lässt nach, die Sehkraft nimmt ab, und der Kreislauf kann gestört sein. Genau hier kann Neurotraining eine sinnvolle Maßnahme darstellen, um diesen altersbedingten Erscheinungen auf neuronale Ebene entgegenzuwirken, um einen positiven Einfluss auf die Gleichgewichtsfähigkeit zu nehmen.
Neurotraining zur Gleichgewichtsverbesserung
Unter Neurotraining werden alle Maßnahmen und Grundsätze eines sportlichen Trainings verstanden, die eine Person befähigen, eine bessere Leistungsfähigkeit des Nervensystems zu erzielen. Die Maßnahmen dienen dazu, die drei zentralen Aufgaben des Gehirns, die Informationsaufnahme, die Interpretation und die daraus abgeleitete Entscheidung zu optimieren. Die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung und Wiederherstellung des Gleichgewichts wird neben der muskulären Kraft vom Zusammenspiel mehrerer Wahrnehmungssysteme beeinflusst. Zu diesen Wahrnehmungssystemen gehören das vestibuläre System (Gleichgewichtssystem), das visuelle System (Augen) und das somatosensorische System (Berührung und Körperbewusstsein) (Dietrich, 2003). Diese Systeme senden kontinuierlich exterozeptive (von außen kommende) sowie interozeptive (von innen kommende) Informationen an das Gehirn, das diese Daten verarbeiten und entsprechende motorische Reaktionen auslösen muss, um das Gleichgewicht zu erhalten. Adressatenspezifisch ausgewählte Übungen aus dem Neurotraining, die der Verbesserung des vestibulären, visuellen oder propriozeptiven System dienen, können in diesem Kontext gezielt dazu eingesetzt werden, die gleichzeitige Aufnahme und Interpretation von Informationen aus den genannten Wahrnehmungssystemen sowie die Ableitung von motorischen Reaktionen zu verbessern, um durch eine Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit das Risiko für Stürze und Verletzungen zu reduzieren.
Fazit:
Unabhängig davon, ob man sich Sorgen um die eigene oder die Gesundheit und Lebensqualität von anderen Personen macht, sollten gezielt ausgewählte Übungen aus dem Neurotraining zur Verbesserung der relevanten Wahrnehmungssysteme im Trainingsplan integriert werden. Denn Stürze sind vermeidbar. Durch gezielte Prävention und Aufklärung kann das Sturz- und Verletzungsrisiko minimiert sowie die Lebensqualität älterer Menschen verbessert werden (Shubert, Smith, Jiang & Ory 2016). Das Training der Sehkraft und des Gleichgewichts sowie die Auswahl und Durchführung entsprechender Übungen sind zentrale Themen, die im Rahmen der Neurotrainer/in-B-Lizenz vermittelt werden.
Quellen:
- Center for Disease Control and Prevention. (2023). Older Adult Falls Data. Zugriff am 13.05.2024. Verfügbar unter https://www.cdc.gov/falls/data/index.html
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Dieterich, M. (2003). Vestibuläres System und Störungen der vestibulären Raumorientierung. In H.-O. Karnath & P. Thier (Hrsg.), Neuropsychologie (Springer-Lehrbuch, S. 199–208). Berlin, Heidelberg: Springer
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Robertson, M. C., Campbell, A. J., Gardner, M. M. & Devlin, N. (2002). Preventing injuries in older people by preventing falls: a meta-analysis of individual-level data. Journal of the American Geriatrics Society, 50(5), 905-911.
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Shubert, T. E., Smith, M. L., Jiang, L. & Ory, M. G. (2016). Disseminating the Otago Exercise Program in the United States: Perceived and Actual Physical Performance Improvements from Participants. Journal of Applied Gerontology, 37(1), 79-98.
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Zimmer, R. (2019): Handbuch Sinneswahrnehmung: Grundlagen einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung. Freiburg: Herder.