Der Lebensstil in westlichen Industrienationen zeichnet sich vor Allem durch zwei Dinge aus: ein Überangebot hochkalorischer Lebensmittel und körperliche Inaktivität. Die Folge dessen ist die Zunahme der sogenannten Lebensstilerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Arteriosklerose und weiteren Stoffwechselerkrankungen (Lavie, Ozemek, Carbone, Katzmarzyk & Blair, 2019). Im Unterschied zum Typ-1-Diabetes, der eine Autoimmunerkrankung darstellt und bereits im Kindesalter auftritt, gehört Typ-2-Diabetes zu den erworbenen Erkrankungen. Früher vor Allem als „Altersdiabetes“ bekannt, sind heute auch zunehmend jüngere Personen betroffen. Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (2021) liegt die Prävalenz in Deutschland aktuell bei 8,5 Millionen.
Was ist Typ-2-Diabetes?
Insulin ist ein Hormon, das im menschlichen Körper dafür sorgt, dass Nährstoffe aus dem Blut in die Muskelzelle aufgenommen werden. Insbesondere nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten kommt es zu einem Anstieg des Blutglukosespiegels. In der Folge schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus, was die Aufnahme der Glukose aus dem Blut in die Muskelzelle bewirkt, wodurch der Blutzuckerspiegel sinkt. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nimmt die Sensitivität der Insulinrezeptoren an den Muskelzellen aufgrund der dauerhaft erhöhten Kohlenhydrat- bzw. Glukosezufuhr zunehmend ab. Dadurch, dass die Muskelzellen nicht mehr normal auf das vorhandene Insulin reagieren, kommt es trotz hoher Insulinausschüttung zu einer unzureichenden Aufnahme von Glukose in die Muskelzelle, weshalb man bei Typ-2-Diabetes auch von einem relativen Insulinmangel spricht. Die Folge ist ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel („Hyperglykämie“). Wenn im fortgeschrittenen Stadium die körpereigene Insulinproduktion nicht mehr ausreicht, sind Betroffene auf die ergänzende Verabreichung von Insulin angewiesen. Dies kann entweder automatisch mittels Insulinpumpe oder von den Patienten selbst durch manuelle Injektion von Insulin erfolgen.
Auch wenn Diabetes heute gut behandelbar ist und Betroffene besonders in frühen Stadien relativ uneingeschränkt leben können, können erhebliche gesundheitliche Komplikationen auftreten: Im Krankheitsverlauf kann es zu Schädigungen der Augen, Wundheilstörungen („diabetischer Fuß“), Nervenschädigungen und Erektionsstörungen kommen. Zudem haben Diabetiker ein 2,6-fach höheres Risiko für einen frühzeitigen Tod (DDG, 2021).
Warum entsteht Typ-2-Diabetes?
Wie die meisten Lebensstilerkrankungen ist auch der Typ-2-Diabetes eine multifaktorielle Erkrankung. Das heißt es gibt nicht nur einen, sondern viele Faktoren, die die Krankheitsentstehung begünstigen. Genetische Veranlagung spielt hier genauso eine Rolle wie mögliche Vorerkrankungen. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass Bewegungsmangel und hochkalorische Nahrung die größten Risikofaktoren darstellen. Übergewicht (v. a. ein hoher Anteil an Bauchfett), ballaststoffarme Ernährung, Rauchen und schlechte körperliche Fitness sind weitere Faktoren, die damit in Zusammenhang stehen (Kolb & Martin, 2017). Auch wenn die Krankheitsentstehung in großen Teilen durch den individuellen Lebensstil bedingt ist, sollten Trainerinnen und Trainer darauf achten, bei Betroffenen keine Schuldgefühle auszulösen. Vielmehr sollten Patienten aufgezeigt bekommen, dass sie selbst Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen können. Trainerinnen und Trainer sollten diese mit Fachkompetenz und Empathie darin bestärken mehr Sport und Bewegung in ihren Alltag zu integrieren.
Wie wirkt sich Training aus?
„Training wirkt wie Insulin“. Für diese prägnante Aussage gibt es eine breite wissenschaftliche Evidenz. Sport und Bewegung verbessern nicht nur die Insulinsensitivität, sondern führen über den erhöhten Energiebedarf auch zu einem Absenken erhöhter Blutzuckerspiegel. Der aktivitätsbedingte Energieverbrauch sorgt dafür, dass bei Sport und Bewegung eine insulinunabhängige Glukoseaufnahme in die Muskelzelle erfolgt (Fischer, 2011). Weiterhin wirkt sich Sport positiv auf Risikofaktoren (z. B. Übergewicht, unzureichende körperliche Fitness) sowie häufige Begleiterkrankungen (z. B. Fettstoffwechselstörungen, Arteriosklerose) aus. Körperliches Training stellt daher einen elementaren Teil der Therapie dar und wird auch in zahlreichen Behandlungsleitlinien explizit empfohlen (Colberg et al., 2010).
Studien zeigen, dass Diabetikerinnen und Diabetiker am meisten von einer Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining profitieren. Generell bewirkt aber jedes Training über den erhöhten Energiebedarf auch einen erhöhten Glukoseverbrauch und im Anschluss an das Training eine verbesserte Insulinsensitivität (Balducci et al., 2014).
Welche Trainingsformen sind geeignet?
Für das Ausdauertraining bieten sich Bewegungsformen mit dynamischem Einsatz großer Muskelgruppen an (Walken, Joggen, Crosstrainer etc.). Wenn Personen die allgemeinen gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllen, sind auch intensive Einheiten unter primär anaerober Energiebereitstellung geeignet. Für das Krafttraining bieten sich ebenfalls mehrgelenkige Übungen mit großem Muskeleinsatz an (Colberg et al., 2010).
Da es bei Diabetikerinnen und Diabetikern auch zu Schädigungen der Nervenenden kommen kann, ist es zudem sinnvoll, Koordinationsübungen ins Training zu integrieren. Bei der Trainingsgestaltung sind die individuellen Voraussetzungen sowie weitere gesundheitliche Einschränkungen zu berücksichtigen. Die entscheidenden Erfolgsfaktoren für nachhaltige Effekte sind in erster Linie Regelmäßigkeit und Kontinuität des Trainings. Trainerinnen und Trainer begünstigen dies, indem sie ihre Kunden aktiv in die Trainingsplanung miteinbinden und persönliche Trainingsvorlieben in jedem Fall berücksichtigen.
Worauf gilt es zu achten?
Prinzipiell können Menschen mit Diabetes zwar jeden Sport ausüben, allerdings sollte sichergestellt werden, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. In jedem Fall sollte vor dem ersten Training eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Sobald die Freigabe für die Aufnahme eines Trainings von ärztlicher Seite erfolgt ist, kann in einem ausführlichen Anamnesegespräch im Studio gezielt auf die gesundheitliche und sportliche Vorgeschichte eingegangen werden. Da Diabetikerinnen und Diabetiker häufig noch weitere Erkrankungen haben, müssen diese auf jeden Fall bekannt sein und bei der Trainingsplanung berücksichtigt werden.
Um eine akute Unterzuckerung („Hypoglykämie“) zu vermeiden, sollte vor jeder Trainingseinheit der Blutzuckerspiegel gemessen werden. Die Betroffenen sollten dies eigenständig vor dem Training durchführen. Weiterhin muss darauf geachtet werden, dass immer zuckerhaltige Getränke oder Traubenzucker verfügbar sind. Sobald Trainerinnen und Trainer Anzeichen einer Unterzuckerung – wie Konzentrationsstörungen, Gereiztheit oder Zittern – feststellen, sollte das Training unterbrochen und durch entsprechende Glukosezufuhr gegengesteuert werden. Weiterhin sind bei intensiven und langen Einheiten aufgrund des zu erwartenden Energieverbrauchs auch Blutzuckermessungen während des Trainings sinnvoll.
Eine besondere Bedeutung hat bei Diabetikerinnen und Diabetikern auch die Fußhygiene. Aufgrund der gestörten Sensibilität und Wundheilung werden Blasen an den Füßen häufig nicht wahrgenommen und verheilen teils nur sehr schlecht. Daher sollten die betroffenen Kunden darauf hingewiesen werden, beim Training auf geeignete Trainingsschuhe zu achten und ihre Füße nach dem Training zu kontrollieren. Tab. 1 gibt einen Überblick wichtiger Aspekte der Trainingsbetreuung.
Tab. 1: Orientierungsrahmen beim Training mit Diabetikerinnen und Diabetikern.
Vor dem Training | Während des Trainings | Nach dem Training |
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Fazit
Typ-2-Diabetes ist eine chronische Störung der Insulinsensitivität, deren Entstehung durch Überernährung und Bewegungsmangel begünstigt wird. Training spielt daher eine wichtige Rolle in der Prävention sowie der Therapie. Trainingsprogramme sollten sich sowohl an den gesundheitlichen Voraussetzungen als auch an den persönlichen Vorlieben orientieren. Um Personen mit chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes effektiv und sicher betreuen zu können, sollten Trainerinnen und Trainer über das erforderliche Hintergrundwissen und praktische Kompetenzen im gesundheitsorientierten Fitnesstraining verfügen. Der BSA-Lehrgang „Gesundheitstrainer/in“ bietet Interessierten die Möglichkeit, sich in diesem Bereich gezielt weiterzubilden und so neue Kundengruppen zu erschließen.