Breitensport und Holokratie: Eine Chance für moderne Vereinsorganisation

Stellen Sie sich eine Organisation vor, in der die Macht und Entscheidungskompetenz auf selbstorganisierende Einheiten und jeden einzelnen Mitarbeitenden verteilt ist. Bei der Holokratie übernehmen Mitarbeitende flexible Rollen, wodurch das Unternehmen dynamisch bleibt. Erfahren Sie mehr über diese innovative Organisationsform und wie sie im Breitensport angewendet werden kann.

 

Was, wenn Sie als Chef, als Vorstand, plötzlich nicht mehr so viel Einfluss und Verantwortung haben oder Sie als Angestellter oder ehrenamtliche Mitarbeitende plötzlich nach Ihren Stärken mehr Verantwortung und Gestaltungsspielraum erhalten? Dann wäre der Mensch mit seinen Fähigkeiten im Zentrum und nicht die Aufgabe, das Projekt oder der Fachbereich. In einer Welt, in der sich die neuen Mitarbeitergenerationen sinnstiftende Gestaltungsmöglichkeiten erhoffen, sind klassische Hierarchien blockierend. In Branchen, die in einer volatilen Welt von Digitalisierung und Globalisierung geprägt sind, nutzen Unternehmen bereits flache Hierarchien, um Entscheidungswege zu verkürzen und es den einzelnen Teams und Mitarbeitern zu ermöglichen, selbstbestimmter zu arbeiten.

Die Holokratie

Anstelle klassischer Hierarchien und Machtverhältnisse vertraut die Holokratie auf ein Regelset, das Rollen statt Positionen zuteilt und Kreise als eine Gruppe von Rollen, statt starrer Hierarchien einsetzt. Dieses Konzept zur Gestaltung der Unternehmensorganisation heißt Holokratie (engl. Holacracy). Der Name ist aus dem griechischen Begriff „Holon“ abgeleitet, der übersetzt „das Teil eines Ganzen seiende“ bedeutet. Ob die Holokratie als Organisationsform der Zukunft durchdringt, ist wie bei vielen Prognosen nicht klar. Das Konzept in der Praxis ist oft schwer umzusetzen. In seiner Reinform hat es den Anspruch, das ganze Unternehmen umzukrempeln. Doch lassen Sie sich nicht entmutigen. Auch wenn es ein Totalmodell ist, können bereits einige Grundsätze aus dem Konzept große Veränderungen in der Effizienz und Effektivität zeigen.

Rollen und Kreise in der Holokratie

Bei der Holokratie verteilt sich die Macht und Entscheidungskompetenz auf sogenannte Kreise, diese sind eine Art selbstorganisierende Einheiten (Abteilungen) – sowie auf jeden einzelnen Mitarbeitenden. Diese übernehmen unterschiedliche und wechselnde Rollen, auch abteilungsübergreifend. Dadurch bleibt die Organisation flexibel. Mitarbeitende entscheiden innerhalb ihrer Rollen eigenständig. Die Verteilung der Verantwortung auf Rollen ermöglicht so eine verteilte Führung. Auch in der Holokratie gibt es eine Hierarchie, nämlich die der Kreise. Diese geben den Unterkreisen ihren Zweck und die generellen Verantwortlichkeiten vor.

  • Rollen: Jeder Mitarbeitende übernimmt verschiedene Rollen. Rollen sind flexibel und können je nach Bedarf angepasst oder neu geschaffen werden.
  • Kreise: Die aktuell vorhandenen Hierarchien werden in der Holokratie durch Kreise (= Holons) dargestellt. Sie repräsentieren das Unternehmen insgesamt beziehungsweise einzelne Abteilungen – zum Beispiel: Marketing, Sportliche Abteilung, Finanzen, etc. Unterkreise symbolisieren Spezialisierungen innerhalb eines Unternehmensbereichs.
  • Vertreter: Mitglieder eines Kreises entsenden Vertreter in übergeordnete Kreise, die wiederum Vertreter in den generellen Unternehmenskreis entsenden. Diese Vertreter bringen die Perspektiven ihres Kreises in die strategischen Entscheidungen des Unternehmens ein.

 

 

Beispiel: Ein Verein mit ehrenamtlichen Mitarbeitenden

Ein Verein, der zum größten Teil mit ehrenamtlichen Mitarbeitenden arbeitet, kann besonders von der Holokratie profitieren. Ehrenamtliche Mitarbeitende haben oft keine ausreichende Qualifikation, aber sie bringen vielfältige Kompetenzen und Leidenschaften mit, die in verschiedenen Rollen und Kreisen optimal genutzt werden können.
 

Anwendung der Holokratie im Verein

  1. Identifizierung von Rollen:
    • Rollen: Jede Aufgabe im Verein wird als Rolle definiert. Beispiele könnten die Rolle des Veranstaltungskoordinators, des Fundraisers oder des Öffentlichkeitsarbeiters sein.
    • Flexibilität: Wenn eine Rolle zu komplex wird oder nicht mehr benötigt wird, wird sie angepasst oder neu geschaffen. Beispielsweise könnte der Veranstaltungskoordinator auch die Rolle des Social-Media-Managers übernehmen, wenn sich die Anforderungen ändern.
  2. Bildung von Kreisen:
    • Kreise: Verschiedene Rollen, die an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, bilden einen Kreis. Zum Beispiel könnten alle Rollen, die sich um die Organisation von Events kümmern, einen Veranstaltungs-Kreis bilden.
    • Dynamik: Diese Kreise sind nicht statisch; sie entwickeln sich weiter, je nach den Bedürfnissen und Herausforderungen des Vereins.
  3. Dezentralisierte Entscheidungsfindung:
    • Vertreter: Jeder Kreis entsendet Vertreter in einen übergeordneten Kreis, z.B. einen strategischen Leitungskreis des Vereins. Diese Vertreter bringen die Perspektiven und Bedürfnisse ihrer Kreise in die strategischen Entscheidungen ein.
    • Mitbestimmung: Durch diese Struktur können auch ehrenamtliche Mitarbeitende, die vielleicht nicht die formale Qualifikation haben, aber wertvolle praktische Erfahrungen und Fähigkeiten mitbringen, aktiv an der Entscheidungsfindung teilnehmen.

Vorteile und Herausforderungen

Die Holokratie bietet zahlreiche Vorteile. Sie kann die Effizienz und Effektivität steigern, indem sie flexible Strukturen schafft, die sich schnell an veränderte Umstände anpassen können. Mitarbeitende können ihre Fähigkeiten besser nutzen und sich stärker mit ihrer Arbeit identifizieren. Gleichzeitig erfordert die Holokratie eine hohe Disziplin und Bereitschaft zur kontinuierlichen Anpassung. Die Einführung dieses Modells kann mit erheblichen Herausforderungen verbunden sein, da traditionelle Machtstrukturen aufgebrochen und neue Denkweisen etabliert werden müssen.

Fazit:

Holokratie stellt einen radikalen Wandel in der Organisationsstruktur dar, der die Art und Weise, wie Unternehmen und Vereine arbeiten, grundlegend verändern kann. Sie bietet die Möglichkeit, die Fähigkeiten der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt zu stellen und dadurch die Effizienz und Effektivität zu steigern. Besonders in ehrenamtlich betriebenen Vereinen kann die Holokratie helfen, das Potenzial aller Mitglieder optimal zu nutzen. Obwohl die Umsetzung in der Praxis oft herausfordernd ist, können die Grundsätze der Holokratie bereits große Veränderungen bewirken. Unternehmen und Vereine, die bereit sind, diesen Weg zu gehen, können von den Vorteilen einer flexiblen und dynamischen Organisation profitieren.

Der Master in Sportökonomie und der MBA Sport-/Gesundheitsmanagement bieten umfassende Einblicke in moderne Managementsysteme und deren praxisnahe Anwendung. Diese Qualifikationen bereiten Sie darauf vor, wirkungsvoll und erfolgreich im Berufsfeld zu agieren. Weitere Informationen finden Sie unter dhfpg.de.